Aktuelle staatliche Entscheidungen zur verlängerten Nutzungszeit von Kernenergie-Kraftwerken und veränderten Förderbedingungen für regenerative Energien führen zu Umsatzeinbußen und verschärften den Wettbewerb bei den Herstellern von Windenergie-Anlagen (WEA).
Ein deutscher WEA-Hersteller initiierte ein umfassendes Projekt zur Kostenreduzierung , in dem zusätzlich zu den konstruktiven Optimierungen und einer intensiven Bearbeitung des Liefermarktes das Engineering durch externe werkstoffliche Kompetenz unterstützt wurde. Dies galt insbesondere für die Entwicklung neuer Stahlkonzepte für die Turmbauwerke der WEA. Gleichzeitig wurde die Stahlkompetenz des Experten zur Analyse des Stahl-Beschaffungsmarktes und das Erschließen neuer Lieferquellen weltweit genutzt.
Der eigene Anteil des Herstellers an der WEA umfaßt das komplette Engineering, die Montage der Gondel mit den Komponenten Nabe/Getriebe/Generator/Steuerung und die Fertigung der Rotorblätter. Hinzu kommen alle Projektleistungen und das Projektmanagement von der Planung über Logistik bis zur Übergabe der montierten WEA am Aufstellungsort an den Betreiber. Dem steht ein sehr hoher Zukaufanteil von mehr als 70 % des Auftragswerts von Leistungen und Materialien gegenüber. Neben den Elektro- und Maschinenbaukomponenten stellt der Turm den größten Einzelposten des Zukaufs dar und sollte somit detailliert auf Kostensenkungspotentiale untersucht werden.
Der Berater. Dr.Klaus Hohenstein entwickelte auf Basis seiner Kenntnisse über technischen Möglichkeiten der Stahlhersteller und Entwicklungen bei Stahlwerkstoffen eine Reihe von Vorschlägen zur Kostenreduzierung des Stahleinsatzes für den Turm der WEA:
Durch die Kombination unterschiedlicher Maßnahmen entstanden mehr als 30 verschiedene Turmkonzepte mit Gewichtseinsparungen bis zu ca. 30 %, die in der Folge kostenmäßig bewertet wurden. Die Ergebnisse zeigen für den Hersteller neue Potentiale zur Senkung der Turmkosten auf, die zum einen kurzfristig zu realisieren sind, aber auch Zielsetzungen und Ausrichtungen für die Entwicklungsaufgaben des Engineering in den nächsten Jahren und die zu zertifizierenden Turmkonzepte der Zukunft.
Neben dieser Entwicklung von Ansätzen für die weitere technische Entwicklung wurde parallel der weltweite Herstellermarkt für Grobbleche analysiert im Hinblick auf die Anforderungen an den zukünftigen Bedarf von Grobblechen:
Aus den mehr als 200 erfaßten Grobblechwalzwerken wurden ca. 50 Standorte mit geeigneten Fertigungseinrichtungen identifiziert und Details des Leistungsprofils über eine Fragebogenaktion ermittelt. Einzelne interessante und bisher nicht als Lieferanten eingebundene Unternehmen oder Standorte wurden besucht und im Hinblick auf eine Qualifizierung beurteilt.
Durch das Einbinden des „Stahlexperten“ erhielt der WEA-Hersteller wesentliche werkstofftechnische Anstöße für das zukünftige Engineering der Turmbauwerke wie auch für die Beschaffung der erforderlichen Stahlbleche.
Es bestätigte sich, daß es, wie auch in vielen anderen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus und der metallverarbeitenden Industrie, an tiefergehenden Werkstoffkenntnissen in den Konstruktions- oder Engineering-Abteilungen mangelt. Dadurch werden die Möglichkeiten neuer Stahl-Werkstoffe und die Leistungen der modernen Stahl-Herstellverfahren mit entsprechenden Potentialen zu Kostensenkungen und daraus resultierenden Wettbewerbsvorteilen oft nicht genutzt.